Auf der Suche nach Gesichtern im Holz









































Seit drei Jahren schneidet der in Chur wohnhafte Alberto Rainolter Gesichter unterschiedlicher Art aus dem Holz. Dabei fühlt er sich weder fasnächtlichen Stilvorgaben noch einem Kulturerbe verpflichtet Zu grobem Holz erstarrtes Mienenspiel hämisch feixender Fratzen. In ein verschrobenes Oval zerfliessende Züge wulstige Faltenwürfe. Aufgedunsene Zungen, zwischen Zahnstümpfen in irrem Ausruf erschlaffter Rachen- schlunde hervorquellend. Das sind die dämonischen Masken von Alberto Rainolter. Aus
feinen Konturen in glattes Holz geschnittene distingiert glotzende Verwunderung. Aus
ungeränderten Pupillen unverwand auf einen Punkt starrender Blick. Das Dreieck des Gesichts mit streng geschlossenen Lippen oder einem zum Sprechen geöffnetem Mund
reduzierten, kubistischen Holzmasken des gelernten Buchdruckers.

Erinnerungen an das Spiel mit der Angst

Bereits als kleines Kind erlebte der in Domat/Ems aufgewachsene Alberto Rainolter das
dortige Maskentreiben an der Hand seiner Mutter. Furcht erregend seien sie gewesen, die
Maskenträger in ihren dick mit Stroh ausgestopften, verschlissenen Uebergewändern erinnert er sich. Austaffiert mit den dämonischen Fratzen des wohl bedeutendsten Maskenschnitzers des Alpenraums, Albert Anton Willi, genannt Natè aus Domat/Ems, seien sie am Margis Grass die Strassen des Dorfes rauf- und runtergerannt, um mit den umstehenden Zuschauern ihre derben Spässe zu treiben. Rainolter erinnert sich jener Faszination noch sehr genau, die das Emser Maskentreiben in seiner Kindheit auf ihn ausübte. Er erzählt von einem subtilen und reizvollen Spiel mit der Angst und der gleichzeitigen Gewissheit sich nie wirklich Bedroht fühlen zu müssen. Als den Gefühlen beim Anschauen eines spannenden oder gruseligen Films ähnlich beschreibt er die Faszination der Masken. Während sieben Jahren ab 1998 hat der 1944 geborene in seiner Churer Werkstatt an die 180 Masken geschnitzt. Alles was er darüber weiss hat er sich selber beigebracht aus Lust und Freude an der handwerklichen Betätigung.

Trotz seiner Erinnerungen an das Domat/Emser Maskentreiben fühlt Alberto Rainolter sich beim Schnitzen seiner Masken an keine fasnächtliche Tradition verhaftet. Seine Arbeit empfindet er als eine beständige Entwicklung. Diese möchte er nicht durch zu erfüllende Stilvorgaben oder überliefertes Kulturgut eingeschränkt wissen. Unter den von ihm geschnitzten Masken sind wohl auch die archaischen an der Fasnacht gebräuchlichen
Dämonenfratzen zu finden. Im Moment entwickle sich sein Schaffen jedoch hin zu organischen, reduzierten, geometrischen Formen.

Anregungen und Inspiration zu seinen tragbaren Maskengesichtern findet Rainolter in realen Gesichtern und spontanen Einfällen unterschiedlichster Art. Bei seiner Suche beschränkt er sich weder auf einen bestimmten Kulturraum noch eine Epoche.
Reto Peter Glemser - Südostschweiz, Febr. 2001



Keine Kommentare: